Verlag des Forschungszentrums Jülich

JUEL-4220
Schmitz, Oliver
Experimentelle Untersuchung der Plasmastruktur und Charakterisierung des Transportverhaltens in der laminaren Zone einer stochastisierten Plasmarandschicht
177 S., 2006

Auf dem Weg, die kontrollierte Kernfusion als Energiequelle verfügbar zu machen, ist die Optimierung der vorhandenen Konzepte zum magnetischen Einschluss von Hochtemperaturplasmen und zur Steuerung der Wandbelastung von grundlegender Bedeutung.
Ein neues Konzept ist die gezielte Modifkation des Transportes in der Plasmarandschicht durch externe magnetische Störfelder - es entstehen stochastische Plasmen. Mit den empirischen Befunden aus neueren Experimenten mit Störfeldern eröffnet sich ein neues Forschungsfeld mit interessanten Möglichkeiten. Insbesondere können bestimmte unerwünschte Randschichtinstabilitäten, ELMs genannt, mittels stochastisierter Randschichten unterdrückt werden. Hierdurch könnten die extremen Spitzenbe- lastungen der Wand vermieden werden, verbunden mit einer erheblichen Lebensdauerverlängerung der Wandkomponenten. Das Verständniss der zu Grunde liegenden Mechanismen ist von grundsätzlichem Interesse für den Einsatz an zukünftigen Fusionsexperimenten wie ITER.
Für eine detaillierte Untersuchung der Plasmastruktur und der Transportcharakteristika einer stochastisierten Randschicht wurde am Tokamak TEXTOR der Dynamische Ergodische Divertor (DED) aufgebaut, mit dem verschieden ausgeprägte, externe Störfelder statisch und dynamisch erzeugt werden. Ziel dieser Arbeit ist es, erstmals experimentell die radiale und poloidale Struktur der durch das DED-Störfeld stochastisierten Plasmarandschicht zu untersuchen und deren Transportcharakteristika zu analysieren.
Hierzu wurden räumlich hochaufgelöste, radiale Profile der Elektronendichte ne und -temperatur Te mittels Strahlemissions-Spektroskopie an thermischem Helium auf der Hoch- und der Niederfeldseite von TEXTOR gemessen. Diese Messmethode erlaubt die Bestimmung von ne und Te aus der Messung der Emissionsprofile von drei ausgewählten Helium Linien. Zum routinemäßigen Einsatz musste eine umfangreiche Optimierung durchgeführt werden: Grundlegend für die Genauigkeit der Methode ist die spektral saubere Extraktion der Emissionsprofile. Hierfür wurden geeignete Kalibrationsmethoden für die Detektoren entwickelt und für die Hochfeldseite ein Auswertealgorithmus implementiert, der die Trennung vom starken Kohlenstoffuntergrund an dieser Messposition ermöglicht. Zur Auswertung der Linienintensitäten kommt ein Stoß-Strahlungsmodell zur Berechnung der HeI- Besetzungsdichten zum Einsatz. Dieses wurde zur Ableitung eines Messfehlers beurteilt und erstmals die Messunsicherheit bei der Linienintensitätsmessung mit dem Modell fortgepfanzt. Ergänzend wurde die Teilchenfussverteilung auf und vor dem DED-Target mit spektroskopisch gefilterten CCD-Kameras bestimmt.
Mit diesen diagnostischen Methoden konnte erstmals experimentell nachgewiesen werden, dass sich durch das externe Störfeld des DED eine helikale, ergodische, multipolare Divertorstruktur ausprägt.
In dieser können drei Bereiche mit deutlich unterschiedlicher magnetischer Topologie und verschiedenem Transportverhalten identifziert werden. Die Analyse der Transportcharakteristik basiert dabei auf der Bestimmung der Gradienten der ne- und Te-Profile und den abgeleiteten Teilchen- und Wärmeflüssen. Es wurde gezeigt, dass es ausgedehnte Bereiche mit Feldlinien mit kurzer Verbindungslänge, die laminaren Flussröhren, gibt und die sie umschließenden Bereiche mit großen Verbindungslängen, die wegen ihrer fingerartigen Strukturen als ergodische Finger bezeichnet werden. Entlang der laminaren Feldlinien dominiert der parallele Transport. Dieser führt Teilchen und Energie auf das DED-Target ab. Folglich sind ne und Te innerhalb dieser Flussröhren reduziert. In den angrenzenden ergodischen Bereichen zeigt das Plasma höhere ne und Te Werte. Diese Bereiche stellen ein wichtiges Quellgebiet für die Flussröhren dar, die im wesentlichen über einen erhöhten radialen Teilchen- und Wärmetransport gefüllt werden. Auf dem Target prägen die Flussröhren und die ergodischen Finger eine Struktur aus helikal umlaufenden Streifen im Teilchenfluss und in der Wärmebelastung aus. Die einzelnen Streifen werden getrennt durch Regionen ohne direkte Feldlinienverbindung mit der Randschicht, die Private Flux Regions. Sie sind durch niedrige Teilchenflüsse und damit geringe ne und Te Werte gekennzeichnet.
Diese experimentellen Befunde liefern nun eine gute Ausgangsbasis für die Validierung und Weiterentwicklung dreidimensionaler Transportcodes, für die es neben dem Tokamak auch wichtige Anwendungen in der komplexen Randschicht von Stellaratoren gibt. Ein erster Vergleich mit dem Flüssigkeitscode EMC3/EIRENE trägt zu dieser Entwicklung bei. So konnte unter Anpassung der Randbedingungen an die experimentell bestimmten Randschichtparameter die nachgewiesene Wirkungsweise der laminaren und ergodischen Feldlinien reproduziert werden. Die Ausprägung der Magnetfeldtopologie in der Plasmastruktur hängt von den senkrechten Transportkoeffzienten D und X wesentlich ab. Ausgehend von den experimentell bestimmten Werten D= 1,4m-2s-1 und X = 4,1m-2s-1 konnte durch deren Variation in der Modellierung dieses experimentell nachgewiesene Verhalten reproduziert werden.



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Letzte Änderung: 07.06.2022