Verlag des Forschungszentrums Jülich

JUEL-3521
Neunzert, Gregor Helmut
Simulation der Beckensubsidenz, der Temperaturgeschichte, der Reifung organischen Materials, und der Genese, Migration und Akkumulation von Methan und Stickstoff in Nordwestdeutschland auf der Basis seismischer Interpretationen
173 S., 1998

In der Nordwestdeutschen Erdgasprovinz wurde eine 2D Beckensimulationsstudie durchgefuhrt. Durch Interpretation und Teufenkonvertierung von zwei 2D seismischen Linien konnte zunächst die heutige Teufenlage der Schichten bestimmt werden. Als nächstes wurden an einzelnen Bohrungen des Arbeitsgebietes optische und geochemische Reifeparameter und Muttergesteinseigenschaften gemessen. Die Hauptmuttergesteine fur Naturgas in Nordwestdeutschland stellen die kohlefuhrenden Schichten des Oberkarbons dar (Mächtigkeit zwischen 1 000 und 2 500 m, heutige Teufenlage 5 000 bis 9 000 m, Gehalte an organischem Kohlenstoff der Kohlen über 50 %, der Tonsteine bis über 1 %, m-Werte zwischen 30 und 50). Irn Gegensatz zu möglichen mesozoischen Muttergesteinen (insbesondere Posidonien- Schiefer des Lias, daneben Unterkreide und Rhät) haben sie als einzige die zur Methanbildung notwendige organische Reife erreicht (Vitrinitreflexionen 1,7 bis über 4,0% Rr).

Anhand dieser Reifeparameter und unter Verwendung von Bohrlochtemperaturen wurden dann 1D ModelIierungen kalibriert. Aus diesen Simulationen wurde ein geologisches Modell abgeleitet: Die Subsidenz des Nordwestdeutschen Beckens kann in vier Phasen unterteilt werden. Phase I (Oberkarbon) fuhrte zur Ablagerung der Muttergesteine. Phase n (perm bis Jura) stellte einen Zeitraum erhöhter Wärrneflüsse und intensiver tektonischer Bewegungen im Rotliegenden ("Wrench-Tektonik") dar. Während Phase III (Kreide) setzte nach einem Zeitraum der Erosion die Sedimentation erneut ein. Irn Tertiär (phase IV) erreichten die Schichten ihre tiefste Versenkung und wurden den höchsten Temperaturen ausgesetzt.

Dieses Modell der Subsidenz- und Temperaturgeschichte diente als Basis zur 2D Simulation der Genese, Migration und Akkumulation von Methan und Stickstoff in den Lagerstätten Nordwestdeutschlands. Stickstoffwird aus organischem Material erst bei Erreichen sehr hoher Temperaturen gebildet, wenn kaum noch Potential zur Methangenese mehr besteht (LITTKE et al., 1995). An den Beckenrändern hält die Methangenese bis heute an. Im Beckeninneren besteht dagegen heute nur noch Potential zur Stickstotlbildung. Das Gesamtpotential der Muttergesteine zur Methanbildung ist ca. zehnmal größer, als ihr Potential zur Stickstoftbildung (KROOSS et al., 1995). Eine Erklärung fur die heutigen, zum Teil sehr hohen Stickstoff-Konzentrationen in den Lagerstätten (bis 100 % N2) ist nur unter der Annahme möglich, daß früher gebildetes Methan aus den Lagerstätten entwichen ist. Dies legen auch Diagenese-Untersuchungen an Rotliegend-Sandsteinen nahe (GAUPP et al., 1993). Wird ein kompletter Austausch des in den Lagerstätten befindlichen Gases nach Phase n in der Modellierung nicht mit berücksichtigt, so erreichen die berechneten, maximalen Stickstoff- Konzentrationen in den Lagerstätten nur 30 %. Unter der Annahme eines Verlustes des irn Mesozoikum generierten Naturgases an der Wende Kreide/Tertiär erhält man als Ergebnis hingegen bis zu 100 % N2 irn Beckeninneren. Dieser Austausch der früher generierten Naturgase kann entweder durch schleichende Verluste durch die abdeckenden Salze des Zechsteins oder durch tektonische Bewegungen zum Beispiel an der Wende Kreide/Tertiär im Zusammenhang mit tektonischen Bewegungen in Nordseebereich hervorgerufen worden sein.

Unterhalb von Salzstöcken sind die Temperaturen gegenüber benachbarten Gebieten durch die im Vergleich zu anderen Gesteinen hohe Wärmeleitfähigkeit von Evaporiten erniedrigt ("Salt- Chimney"-Effekt, MELLO, 1995). Hierdurch kann unter Salzdomen in ansonsten überreifen Gebieten ein Restpotential zur Methangenese bis heute erhalten geblieben sein. Um diesen Effekt qualitativ und quantitativ zu erfassen, wurde zunächst die dynamische Entwicklung einer Salzstruktur entlang des Nord-Süd Profils rekonstruiert (Struktur 2 auf dem Nord-Süd Profil).

Auf der Basis dieser Rekonstruktion wurde der "Salt-Chimney"-Effekt anschließend quantifiziert: Die Temperaturen unterhalb der Salzstruktur waren um über 10 °C erniedrigt. Hierdurch war die Vitrinitretlexion in den Muttergesteinen um bis zu 0,4 % Rr ermäßigt. Unterhalb der Struktur besteht heute noch ein Restpotential zur Methangenese aus den kohlefuhrenden Schichten des Oberkarbons von max. 44 Mrd.m³ CH4. In benachbarten Gebieten besteht dagegen heute kein Potential mehr zur Methangenese und es bildet sich nur noch Stickstoff

In the Northwest Germnan Rotliegend Play Area a 2D basin modelling study was performed. At first, the recent depth of the strata and the stratigraphy was reconstructed on the base of the interpretation and depth conversion of two 2D seismic lines. Then for single wells in the study area the geochemical and optical maturity parameters and source rocks habitats were studied. The main source rocks for the gas accumulations in Northwest Germany are represented by thick coal-bearing Upper Carboniferous strata. (Thicknesses 1 000 to 2 500 m, recent burial depth 5 000 to 9 000 m, TOC of the coals > 50 %, shales maximum > 1 %, HI 30 to 50). In contrast to the Mesozoic source rocks (Liassic Posidonia shale, lower Cretaceous, Rhaetian) they have reached the high maturity, which is requested for methane generation (vitrinite reflectance 1.7 to > 4.0% Rr).

ID simulations were performed and calibrated by the use of these maturity parameters and borehole temperatures. From these simulations, a geological model was derived: The subsidence ofthe Northwest German Basin can be subdivided into four major phases: During phase I the Upper Carboniferous source rocks were deposited. Phase II (permian to Jurassic ) was an interval of enhanced heat flow and significant tectonic motions during the Rotliegend (wrench tectonics). During phase III (Cretaceous) subsidence ofthe basin was renewed after a time span of erosion. In Tertiary times (phase IV) the strata reached their deepest burial and were exposed to maximum temperatures.

Based on this model of basin subsidence and temperature history, the 2D simulation of the hydrocarbon and nitrogen generation, migration and accumulation was performed. Nitrogen is generated from organic matter at very high temperatures, when almost no potential for methane generation is left (LITTKE et al., 1995). Methane is still generated at the basin edges. In the basin center only potential for nitrogen is left. The total potential of the source rocks for methane is ten times greater than for nitrogen (KROOSS et al., 1995). Nevertheless, in reservoirs concentrations of up to 100 % N2 are known. Such high concentrations of molecular nitrogen are only possible under the assumption of methane losses from the reservoirs through the seals. This result is in line with observations of diagenesis processes at Rotliegend sandstones (GAUPP et al., 1993). Without a flushing event ofthe reservoirs during phase II the calculated nitrogen concentrations reach a maximum of only 30 %. In contrast, under the assumption of a totalloss of natural gas generated during Mesozoic and Palaeozoic times at the Cretaceous/Tertiary boundary, calculated nitrogen concentrations reach up to 100 % in the basin center. This exchange of formerly generated natural gas can be caused either by leakage through the sealing evaporites of Zechstein age, or by tectonic activity e.g. at the Cretaceous/Tertiary boundary .

Beneath salt domes temperatures are significantly lowered. This is caused by the enhanced heat conductivity of evaporites compared to other rocks ("salt-chimney"-effect, MELLO, 1995). Therefore in otherwise overcooked regions, where only nitrogen is generated, a potential for methane generation may exist. To quantify this effect, the dynamic evolution of a specific salt dome simated at the north-south trending line (structure 2) was reconstructed. Afterwards the effect ofthe salt-chimney was calculated. Below the salt dome the temperamres were lowered by more than 10 ac. This caused up to 0.4% lower vitrinite reflectance values in the source rocks below the salt dome than in neighbouring regions. Below the salt strucmre an additional potential of methane generation from the coal bearing Upper Carboniferous of up to 44 billion m³ CH4 may be left. In neighbouring regions no potential for methane is left and only nitrogen can be generated.

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Letzte Änderung: 07.06.2022