Verlag des Forschungszentrums Jülich
JUEL-3408
Zscherp, Christian
Der Protonentransport durch das Membranprotein Bacteriorhodopsin, untersucht mittels zeitaufgelöster Infrarotspektroskopie
113 S., 1997
Am Beispiel der Photoreaktion der lichtgetriebenen Protonenpumpe BR konnte
gezeigt werden, daß zeitaufgelöste Infrarotdifferenzspektren hoher Qualität nicht nur
mit Hilfe der Transmissionstechnik, sondern auch unter Verwendung der ATR-
Technik gewonnen werden können. Der Vorteil der ATR-Methode besteht in der
Kontrolle wichtiger Parameter wie Temperatur, pH-Wert und Salzkonzentration.
Durch die zeitaufgelöste ATR/FT-IR-Spektroskopie ist deshalb eine saubere
Trennung der Intermediate der Photoreaktion möglich. Dadurch konnte erstmals das
O-BR-Differenzspektrum des Wildtyps ohne Überlagerungen von anderen
Intermediaten gewonnen werden. Es zeigte sich, daß die großen strukturellen
Änderungen, die im N-Intermediat auftreten, bereits im Übergang von N nach 0
weitgehend rückgängig gemacht werden.
Zur näheren Charakterisierung der Protonentransferschritte in BR ist die Bestimmung
der pKa- Werte derjenigen Aminosäuren, die am Transportvorgang beteiligt sind,
wichtig. Weil die ATR-Technik die Variation des pH-Wertes erlaubt, ist diese
Methode zur Messung von pKa- Werten geeignet und kann in Kombination mit
zeitauflösenden Techniken sogar zur Quantifizierung der pKa-Änderungen in
transienten Zuständen des Proteins verwendet werden.
D96 ist der interne Protonendonor der Schiff´schen Base. Um diese Funktion erfüllen
zu können, muß der pKa dieser Gruppe im Laufe der Photoreaktion gesenkt werden.
Für den pKa- Wert von D96 im Grundzustand kann mit Hilfe von
Titrationsexperimenten eine untere Grenze von 12 angegeben werden. Wie aus den
zeitauflösenden Infrarotmessungen ermittelt wurde, wird er im N-Intermediat auf 7.2
abgesenkt. Dieser Wert bestimmt auch die pH-Abhängigkeit der transienten
Konzentrationen der Intermediate N und 0.
An der Freisetzung des Protons auf der extrazellulären Seite ist E204 maßgeblich
beteiligt. Der pKa dieser Aminosäure im Grundzustand konnte durch Vergleich von
Experimenten am Wildtyp und an der E204Q Mutante zu 9.2 bestimmt werden. Dabei
war die Zuordnung einer Bande zu E204 aber nicht möglich. Wahrscheinlich teilt
E204 ein Proton mit einer oder mehreren anderen Aminosäuren, die Teil eines
Netzwerkes von Wasserstoffbrücken sind, so daß die Absorptionsänderungen, die mit
der Änderung des Protonierungszustandes verbunden sind, sehr gering ausfallen. Der
pKa- Wert von E204 in den Intermediaten der Photoreaktion kann deshalb nicht
angegeben werden.
Andere Arbeitsgruppen haben festgestellt, daß bei pH-Werten über 6 die Freisetzung
des Protons zu einem früheren Zeitpunkt (L-M-Übergang) erfolgt als bei pH-Werten
darunter (mit dem Übergang in den Grundzustand). Abgesehen von einer leichten
Frequenzverschiebung der D85-Bande schlägt sich dies nicht in Unterschieden der M-
BR Differenzspektren nieder. Im Grundzustand kann aber eine Carbonsäure mit
einem pKa von 5.7 gefunden werden, die möglicherweise den Zeitpunkt der
Protonenfreisetzung bestimmt.
Bei hohen pH-Werten, aber auch in der E204Q Mutante, ist die Beschleunigung des
Protonentransfers von der Schiff schen Base zu D85 zu beobachten. In beiden Fällen
kann die Aminosäure an der Stelle 204 kein Proton für das Netzwerk aus
Wasserstoffbrücken zwischen D85 und der extrazellulären ObeIfläche zur Verfügung
stellen. Erst die Protonierung von D85 ermöglicht den Ersatz des fehlenden Protons.
Ist dieser Zustand energetisch besonders günstig, wird dadurch die Rückreaktion von
M nach L erschwert.
Die Differenzspektren der Mutanten E194Q, E204Q und E204T zeigen gegenüber
dem Wildtyp Änderungen in einem spektralen Bereich, der für die Absorption von ß-
Turns typisch ist. Im aktuellen Strukturmodell von BR liegt E204 in der Nähe eines ß-
Turns, an dem E194 beteiligt ist. Eine Wechselwirkung von E204 mit den Resten, die
den ß- Turn bilden, ist über den verbindenden Loop, aber auch direkt über den Kontakt
von E204 und S 193 möglich.
In der E194Q Mutante gelang der Nachweis eines Intermediates, das in der
Photoreaktion dem O-Zustand folgt und vermutlich auch im Wildtyp vorkommt, dort
aber nicht akkumuliert wird.
Die ATR-Methode ermöglicht die Aufnahme von Infrarotspektren unter naturnahen
oder kontrollierten künstlichen Bedingungen, was für Untersuchungen an
biologischen Proben generell vorteilhaft ist. Die Kombination dieser Technik mit der
Verwendung von photolabilen Substratanaloga würde es erlauben, den Ablauf von
Reaktionen auch bei Proteinen zu verfolgen, die nicht selbst photoaktiv sind. Die
Methode, die im Rahmen dieser Arbeit etabliert wurde, hat deshalb eine Vielzahl
potentieller Anwendungen.
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